Die Farbe des Sommers
Sie besitzen eine nahezu magische Anziehungskraft: Ob am Marktstand oder in der Gastronomie, der Verlockung von rotem Obst und Gemüse können wir kaum widerstehen. Kein Wunder, haben Mensch – und Tier – doch im Laufe der Evolution gelernt, dass diese Farbe „reif“ und „schmackhaft“ bedeutet.

Eine Erwartungshaltung, die allerdings nicht immer erfüllt wird. Wer einmal Erdbeeren oder Tomaten mitten im Winter probiert hat, weiß: Rot steht nicht automatisch für volles Aroma.
Es lohnt sich – sowohl geschmacklich als auch der Umwelt zuliebe – zu warten, bis Obst und Gemüse Saison haben. Regional gewachsen und vollreif geerntet, lösen sie ihr Versprechen dann tatsächlich ein. Bereits im Frühjahr gilt das etwa für Radieschen und Rhabarber, gefolgt von sommerlichen Köstlichkeiten wie Erdbeeren, Himbeeren, Tomaten, Kirschen, Johannisbeeren, Wassermelone, Paprika, Chilis und Radicchio. Im Spätsommer folgen dann zum Beispiel die ersten rotbackigen Äpfel und Rote Bete. Wer gerne Rot sieht, kann in den nächsten Monaten also aus dem Vollen schöpfen. Allerdings: Selbst das knalligste Rot macht als Solist auf dem Teller keine gute Figur. Es braucht ein paar Nebendarsteller, um Augen und Gaumen zu schmeicheln. Eine optisch und geschmacklich beliebte Kombination sind die italienischen Nationalfarben: Wenn Tomaten auf weißen Mozzarella und grünen Basilikum treffen, dann kommen alle Sinne auf ihre Kosten. Gleiches gilt für Rote Bete-Carpaccio mit Ziegenkäse und frischen Kräutern wie Estragon, Petersilie und Minze. Noch die prallsten Erdbeeren gewinnen durch einen Klecks Sahne oder die Kombination mit Vanilleeis.
Und während rote Paprikaschoten allein eher langweilig wirken, kommt durch die Kombination mit ihren gelben oder grünen Verwandten gleich Dynamik auf den Teller. Wie gut, dass es sich auch aus ernährungsphysiologischer Sicht empfiehlt, sich kreuz und quer durch den Farbkasten der Natur zu futtern. Das sogenannte Regenbogen-Konzept setzt genau darauf: Wer pflanzliche Lebensmittel möglichst bunt kombiniert, hat gute Chancen, mit einer ganzen Fülle wichtiger Nährstoffe versorgt zu werden. Aber auch wer auf die Idee käme, ausschließlich auf Rot zu setzen, hätte nicht die schlechteste Wahl getroffen. Rotes Obst und Gemüse sieht nämlich nicht nur gut aus, es steckt auch voller gesunder Nährstoffe. Verantwortlich dafür sind vor allem Anthocyane und Carotinoide. Die sekundären Pflanzenstoffe sorgen für die Farbgebung, sollen aber auch antioxidativ und entzündungshemmend wirken. Einerseits gut zu wissen. Andererseits: Wem bei Anblick köstlicher Kirschen das Wasser im Munde zusammenläuft, der hat nicht in erster Linie ihren hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt im Visier, sondern ihren wunderbaren Geschmack.
Foto: iStock.com