DIE NEUE SPIELZEIT

Ob Theatermacher oder Publikum, sie alle litten in den letzten Monaten unter „Entzugserscheinungen“. Das hat Intendant Michael Heicks am eigenen Leib und in zahlreichen Gesprächen mit den Menschen in der Stadt erfahren. Die gute Nachricht: Nach den Sommerferien öffnen die Bühnen und Orchester Bielefeld wieder ihre Spielstätten. Mit einem abwechslungsreichen Programm, aber anders als geplant.

Bei der Wahl des Spielzeitmottos hat das Theater Bielefeld oft ein gutes Gespür bewiesen. Doch auf die nahezu prophetische Qualität des aktuellen Mottos hätte es sicherlich gut verzichten können. „Alles könnte anders sein“, lautet es. „So ist es leider auch geworden, allerdings anders als gedacht“, sagt Michael Heicks anlässlich der Vorstellung des veränderten Spielplans für die neue Saison.

Für die Städtischen Bühnen bedeutete die Corona-Pandemie in den letzten Monaten: alles noch einmal neu denken. „Aber wir waren erstaunt, wie viele Produktionen des ursprünglich geplanten Spielplans wir machen können und dass man ihnen die Corona-Veränderungen nicht ansehen wird“, freut sich der Intendant. Und so beginnt am 30. August die Spielzeit mit dem Musical „Die spinnen, die Römer!“ 1962 gelang Stephen Sondheim mit seiner Komödie ein Überraschungserfolg. Das Musical parodierte die seinerzeit so beliebten „Sandalenfilme“ der Marke „Quovadis“. Sondheim verlieh seinem ersten eigenen Werk neben einer Menge Ohrwürmer jenen unverwechselbaren musikalischen Tonfall, der fortan seine Musicals wie „Company“ oder „Sweeney Todd“ prägen sollte. Weiteres Highlight im Musiktheater: „The Black Rider“ (Premiere am 12.9.20), der aus der letzten Saison nachgeholt wird.

Mit großer Lust am Schaurig-Schönen gehen Rocklegende Tom Waits, Beat-Generation-Autor William S. Burroughs und Starregisseur Robert Wilson in ihrem 1990 entstandenen Gemeinschaftswerk dem Modernen und Absurden der dämonischen Gruselgeschichte des „Freischütz“ nach. Nur wenige der ursprünglich geplanten Stücke, insbesondere mit großer Orchesterbesetzung, mussten ausgetauscht werden.

Denn die vorgegebenen Abstandsregeln lassen sich damit im Orchestergraben nicht einhalten. Statt des „Sommernachtstraums“ erklingt daher etwa Händels BarockOper „Tamerlano“ (Premiere am 5.12.20). Das Schauspiel startet wie geplant mit zwei Uraufführungen. „Blackbird“ (5.9.20), das Romandebüt des bekannten Schauspielers Matthias Brandt, vereint derbe Komik mit zarter Melancholie und eroberte damit die Bestsellerlisten. Die Geschichte einer Jugend in der tristen Einfamilienhausidylle einer westdeutschen Kleinstadt taucht tief ein in das pubertäre Wechselbad der Gefühle, ist in einem Moment zum Kaputtlachen, im nächsten zum Tränenverdrücken. Der Schweizer Autor, Hörspielmacher und Bassist Dominik Busch hat dagegen mit poetisch-musikalischer Sprachkraft ein Mosaik verschiedener Lebenswelten geschaffen, die allesamt instabil sind. „Deinen Platz in der Welt“ feiert am 6.9. Premiere. „Ein Stück wie ‚Hase, Hase‘ mussten wir dagegen austauschen“, so Michael Heicks, „denn es lebt davon, dass alle immer nah zusammensitzen und kuscheln.“ Stattdessen kommt ab Januar Kleists „Amphitryon“ auf die Bühne. Weitere Höhepunkte im Schauspiel sind „Frankenstein“ nach Mary Shelley (Premiere im November), das Weihnachtsmärchen „Der Räuber Hotzenplotz“ (14.11.20) sowie Shakespeares „Der Sturm“ (Premiere im April 21).

Im Tanztheater weicht die mit großem Orchester geplante Produktion „Moby Dick“ der Uraufführung „Im Rausch“ (24.10.20). Zu der treibenden Komposition des Drummers Marc Lohr entwickelt die Choreographie von Simone Sandroni ihre eigene Dynamik und wird so zu einem Ventil für aufgestaute Energien. Insgesamt wird es in der nächsten Spielzeit 22 statt der geplanten 30 Neuproduktionen geben. Davon aber mehr Vorstellungen, um trotz verringerter Sitzplatzanzahl möglichst viele Menschen zu erreichen.

Der Gesundheitsschutz erfordert nämlich, dass jede zweite Reihe und jeweils ein Platz zwischen nicht zusammengehörenden ZuschauerInnen frei bleibt. Das gilt auch für die Rudolf-Oetker-Halle, wo die Bielefelder Philharmoniker ebenfalls vor einer ungewöhnlichen Saison stehen. „Wir treten normalerweise im großen Kollektiv auf“, so Orchesterdirektor Martin Beyer. „Jetzt setzen wir bei den ersten drei Symphoniekonzerten auf eine kleine Orchesterbesetzung und stellen unsere eigenen Solisten in den Vordergrund.“

Die Saison startet am 9. & 11. Oktober mit Wagners „Siegfried-Idyll“ sowie Werken von Händel, Ravel und Haydn. Solistin ist die Harfenistin Sylvia Gottstein. Bereits am 28. September gestaltet das TrioVanBeethoven das erste Kammerkonzert. Die weitere Planung für 2021 ist bewusst noch offen, um spontan reagieren zu können. Eine Besonderheit, auf die sich der Orchesterdirektor schon sehr freut, steht aber bereits fest. „Mit dem Jazzmusiker Magnus Lindgren haben wir erstmals einen Artist in Residence, der eine ganz andere Klangfarbe mitbringt.“ Auch einige hochkarätige Eigenveranstaltungen in der Konzerthalle sind schon terminiert. So etwa die Auftritte der Akademie für Alte Musik Berlin (6.12.20) mit einem weihnachtlichen Programm sowie des Estnischen Philharmonischen Kammerchors (25.3.21). Für alle Sparten gilt: Der Spielplan wird fortlaufend an die jeweils gültigen Rahmenbedingungen angepasst; weitere Produktionen und Projekte sind in Planung. Denn auf Kultur-Entzug waren alle lange genug.

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